Die berühmtesten Namen in dieser Epoche der indianischen Geschichte haben die großen Kriegerhäuptlinge, die die Kämpfe zur Verteidigung ihrer Heimatgebiete im Südwesten und in den Great Plains anführten. Die Schlachten, die sie gegen alte Stammesfeinde und gegen die U.S.-Armee führten, forderten unter den Ureinwohnern Nordamerikas einen ungeheuren Tribut an Menschenleben.
Tahirussawichi, ein um 1830 geborener Chaui (Grand Pawnee), erklärte:
“Wenn ich an all die Menschen meines eigenen Stammes denke, die während meines Lebens gestorben sind, und dann an die Angehörigen anderer Stämme, die durch unsere Hände gefallen sind – es sind so viele, daß sie weite Teile der Mutter Erde bedecken.”
Als Francis Parkman, der 1846 den Westen bereist hatte, um 1870 dorthin zurückkehrte, erfuhr er, daß fast alle Mitglieder einer Gruppe von Sioux, bei denen er gelebt hatte, in der Zwischenzeit im Kampf gegen die Weißen getötet worden waren.
Unter den Stämmen der Plains- und Prärieindianer galt das Kriegführen als natürliche Bestimmung für die meisten wehrfähigen Männer. Die Krieger waren zuallererst die Beschützer des Stammes und der Familie, doch Kriege wurden auch um ihrer selbst willen geführt: sie waren das “Feld der Ehre”, auf dem Ruhm und Reichtum errungen werden konnte.
Die Ausbildung zum Krieger begann schon im Kindesalter; im Spiel wurden die Fertigkeiten nachgeahmt, die von einem Erwachsenen erwartet wurden, und Väter und Onkel erlegten den künftigen Kriegern Prüfungen auf, um sie auf die vor ihnen liegenden Strapazen vorzubereiten.
Ohiyesa, ein Santee-Sioux, der zur Zeit des Aufstands in Minnesota (1862) vier Jahre alt war, erzählte, wie sein Onkel ihn mitten in der Nacht losschickte, um an entlegenen Stellen Wasser zu finden, oder ihn am frühen Morgen mit Gewehrschüssen und wildem Kriegsgeschrei aufschreckte, um ihm die Erfahrungen und Reaktionen einzuprägen, die er eines Tages brauchen könnte.
Gall, ein Waisenjunge, der Sitting Bulls Adoptivbruder wurde, war ein führender Kriegshäuptling in den Sioux-Kriegen der sechziger und siebziger Jahre. Zusammen mit Cracy Horse, von dem keine authentische Aufnahme überliefert ist, führte er am 25. Juni 1876 den erfolgreichen Angriff auf die Verbände von General George Amstrong Custer in der Schlacht am Little Bighorn.
Das Leben eines Kriegers begann mit einer “Visionssuche”, in der ihm durch Fasten und Gebet die individuellen geistigen Kräfte – die “Medizin” – zum späteren Schutz eröffnet wurden. Es gab noch andere indianische Kriegsriten und -zeremonien, die nicht nur dazu bestimmt waren, den Sieg zu sichern oder zu feiern, sondern auch um ein fatalistisches Einverständnis mit dem Tod und der Niederlage einzuüben. Unter den Cheyenne und Sioux zum Beispiel ar die Vorbereitung des Kriegers auf die Schlacht gleichzeitig eine Vorbereitung auf den Tod; wenn er seinen Kopfschmuck und seine prächtigsten Gewänder anlegte, sein Haar in Flechten Legte und sein Gesicht bemalte, so suchte er sowohl dem Feind zu imponieren als auch dem Großen Geist – sollte er ihm denn vor Augen treten müssen.
Eine Ausnahme bildeten jene Krieger, die nach einer Vorbereitung durch Gebete und rituelle Übungen nackt kämpften, wobei ihre Körperbemalung diejenige Kriegsmedizin zum Ausdruck brachte, die ihnen in der Schlacht Stärke und Schutz verleihen sollte. Viele der überlieferten Kriegsgesänge bringen die Einwilligung des Kriegers in sein ungewisses Los auf dieser Erde mit aller Prägnanz zum Ausdruck:
“Laßt uns sehen, wie wirklich es ist, / laßt uns sehen, wie wirklich es ist / dieses Leben, das ich lebe”
sang der Pawnee-Krieger, wenn er sich innerlich auf einen Feldzug einstellte, aus dem er wahrscheinlich nicht zurückkehren würde.
Auch wenn die indianischen Krieger in jeder Hinsicht zu Mut und Tapferkeit angehalten waren, so ging ihnen doch für die offene Kampftechnik der Weißen und deren Bereitschaft, vorsätzlich Soldaten in der Schlacht zu opfern, jegliches Verständnis ab. Die indianische Kampfweise war demgegenüber in höchstem Maße auf den Schutz des menschlichen Lebens bedacht, sie setzte auf Überraschungs- und Ausweichmanöver, um die eigenen Verluste möglichst gering zu halten.
Für die zahlenmäßig kleinen Indianervölker war diese Taktik nicht nur geschickt, sondern auch überlebenswichtig. Der berühmte Sauk-Krieger Black Hawk brachte dieses Prinzip der Kriegsführung zum Ausdruck, als er erklärte, er verfolge zwei Ziele, “den Feind zu töten und unsere eigenen Männer zu retten”. Der durchschlagende Erfolg dieser Blitzangriffstechnik läßt sich an den Worten ermessen, die General William Tecumseh Sherman 1867 an den amrikanischen Kriegsminister richtete: “Meine Meinung ist: Wenn zwischen dem Arkansas River und dem Platte River auch nur fünfzig Indianer übrigbleiben, dann müssen wir jede Poststation, jeden Zug und alle Eisenbahnbautruppen bewachen. Mit anderen Worten: Fünzig feindliche Indianer werden dreitausend Soldaten matt setzen.”
Kriegsfedern Sie führten im Krieg errungene Auszeichnungen vor Augen, welche die anderen auf den ersten Blick zu deuten wußten. Eine Federhaube stand für große militärische Leistung, und die Art und Weise, wie eine ins Haar gesteckte Adlerfeder beschnitten war, gab Auskunft über bestimmte Taten oder Erlebnisse: ob der Träger etwa einen Skalp genommen hatte oder in einer Schlacht verwundet worden war.
Die Cheyenne erkannten an der Federhaube einen Krieger, der sich durch Tapferkeit und Schlachterfahrung hervorgetan hatte. Die Entscheidung darüber, ob ein Krieger sie verdientermaßen trug, blieb diesem selbst überlassen, obschon die Kampfgefährten einen von Natur aus bescheidenen Stammesbruder dazu ermutigen oder den, der sie sich zu früh angemaßt hatte, mit Hohn strafen konnten.
Ehrenzeichen, die er sich in seinem Leben erworben hatte, begleiteten einen Krieger auch in sein Grab. Bei einigen Stämmen wurden große Häuptlinge in einem Tipi zur letzten Ruhe gelegt, gekleidet in ihre prächtigsten Gewänder und zusammen mit ihren Waffen und ihrem liebsten Besitz. Sogar ihre Pferde wurden getötet und in der Nähe des Tipi abgelegt.
Gelegentlich wurden den Kriegern Namen verliehen, die ihre Kühnheit zum Ausdruck brachten: zum Beispiel Pawnee Killer, Plenty Coups, One Who Strikes the Chief First, He Kills First oder One Who Catches the Enemy.
Nicht nur die Leistungen einzelner Krieger, auch Erinnerungen an Ereignisse, die für den Stamm von größerer Bedeutung waren, konnten über viele Jahre hinweg durch mündliche Überlieferung lebendig erhalten werden. Die Pawnee etwa wußten noch um 1870 detailliert von dem Krieg zwischen verschiedenen Gruppen zu erzählen, der ein Jahrhundert zuvor zur Einheit ihres Stammes geführt hatte, einschließlich der Taktiken und der Namen der Beteiligten.
Wie furchterregend der Einsatz auch sein mochte, der Kampfgeist obsiegte immer, insbesondere unter den jungen Kriegern, die tatendurstig waren und Anerkennung suchten, auch wenn sie dabei ganz auf sich allein gestellt waren. Wie viele Menschenleben dabei aufs Spiel gesetzt wurden, tritt nirgendwo deutlicher zutage als in einem Bericht des Sioux Ohiyesa, der um 1870-72 als Junge miterlebte, wie eine kleine Schar junger Krieger in den Kampf zog, nachdem der Medizinmann ein günstiges Omen verkündet hatte:
“Sofort erhielten unsere jungen Männer ihr Zeichen, und für einige Tage herrschte überall Hast und Aufregung. Am festgesetzten Morgen hörten wir die Gesänge der Krieger und das Klagegeschrei der Frauen, womit sie einander Lebewohl sagten, und unter der Führung eines erfahrenen Mannes, des alten Hotanka oder Loud-Voiced Raven, machten sich die kriegstauglichen Burschen auf den Weg ins Land der Gros Ventre … Von diesem frühen Morgen an, als die jungen Krieger uns verließen, angeführt von dem alten Kriegspriester … zählten die besorgten Mütter, Schwestern und Liebsten die Tage. Old Smoky Day stand manchmal früh am Morgen auf und sang ein “Starkes Herz”-Lied für seinen Enkel, der auf dem Kriegspfad war. Ich höre immer noch den Widerhall der heiseren, brüchigen Stimme des alten Sängers in den Wäldern. Für lange Zeit erfreute sich unsere umherstreifende Gemeinschaft eines ungestörten Friedens; wir blieben von Ärger und Unruhe verschont. Oft brachten unsere Jäger ein Reh, einen Wapiti oder einen Bären, so daß wir frisches Fleisch hatten. Die herrlichen Seen versorgten uns zur Abwechslung mit fisch und Wildvögeln.
Der Herbst näherte sich, und die stillen Wasser spiegelten die Farbenpracht des Laubwechsels … Eines frostigen Morgens – es war gegen Ende Oktober – hörten wir den beklemmenden Gesang eines einsamen Kriegers. Im nu befand sich das Lager in einem zutiefst desolaten Zustand. Die Bedeutung dieses Gesangs war allen sonnenklar: Bis auf den, deesen Klagegesang das Schicksal seiner Gefährten verkündigte, waren alle unsere Krieger gefallen. Der einsame Krieger war Bald Eagle … Das Dorf war vor Gram erschüttert, denn jeder Indianer teilt Leid wie Freude mit allen anderen. Die alten Frauen hielten inne, wo immer sie auch sein mochten; ihr verzweifeltes Wehklagen wechselte mit Lobgesängen auf die gefallenen Krieger. Die Frauen entfernten sich ein wenig von ihren Tipis und trauerten. Die jungen Mädchen aber gingen in die weitere Umgebung des Lagers, wo niemand ihre Trauer beobachten konnte. Die alten Männer stimmten in das Schreien und Singen ein. Die Unbewegtesten von allen waren allem Anschein nach die Krieger, deren Tränen im Land des Feindes vergossen werden mußten, um ihren Rachedurst zu schüren. Stumm saßen sie in ihren Tipis und rangen darum, ihre Gefühle hinter einen stoischen Mine zu verbergen.”